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Dotzel: Diese Szenerie lässt niemanden kalt! (17. Juni 2020)

„Denk-Ort Deportationen“ feierlich eingeweiht – Schuster: Etwas sehr Gutes entstanden

Der Bayerische Rundfunk übertrug den Festakt in seinem Livestream in voller Länge. Der Screenshot zeigt Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel während seiner Ansprache. Foto: Mauritz

Würzburg. (mm) „Wir müssen uns erinnern, damit das Furchtbare der Nazi-Diktatur sich nie mehr wiederholt!“ Das sagte Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel am Mittwoch (17. Juni) anlässlich der Einweihung des „Denk-Ort Deportationen“ in Würzburg. Auf den Tag genau vor 77 Jahren sei um 14:19 Uhr der letzte Zug, mit dem unterfränkische Juden in die Konzentrationslager gebracht wurden, aus dem Würzburger Hauptbahnhof gerollt. Das Denkmal bringe in Gestalt zurückgelassener Gepäckstücke das Furchtbare jener Zeit auf erschütternd einfache Weise zum Ausdruck: „Die Szenerie sagt uns: die Eigentümer dieser Gepäckstücke, die von Nazi-Schergen aus ihren Wohnungen und Häusern getrieben wurden, die entrechtet, schikaniert und schließlich brutal ermordet wurden, diese Menschen kehren niemals wieder. Diese Szenerie packt uns. Diese Vorstellung lässt niemanden kalt!“, betonte Dotzel.

Eröffnet hatte den Festakt, an dem wegen der Corona-Pandemie nur ein kleiner Kreis geladener Gäste teilnahm, Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Die Installation solle eines Tages aus 109 Gepäckstücken bestehen – eines für jeden Ort in Unterfranken an dem es einst eine jüdische Gemeinde gab, so das Stadtoberhaupt weiter. Normalerweise seien Denkmäler statisch. Der „Denk-Ort Deportationen“ werde im Gegensatz dazu wachsen. Derzeit seien 47 Gepäckstücke installiert. Stück für Stück sollten weitere dazukommen.

Ludwig Spaenle, der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, nannte das Denkmal in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof eine „mutige Idee“. Auch die Deportation der Juden hatte sich vor den Augen der Öffentlichkeit abgespielt. Unterfranken sei damals eine der lebendigsten Landschaften im jüdischen Deutschland gewesen, so Spaenle. Der Massenmord an den Juden aus ideologischen Gründen sei in der Weltgeschichte einmalig, Das Denkmal erinnere an Menschen, die alles hinter sich lassen mussten.

Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, unterstrich in seiner Rede, dass es in Würzburg eine ganze Reihe von Orten gebe, an denen der Shoah gedacht werde. „Das ist nicht selbstverständlich!“, sagte er mit Blick auf andere deutsche Städte. Mit dem „Denk-Ort Deportationen“ sei „etwas sehr Gutes entstanden“. Oft werde immer noch verdrängt, dass sich die Verfolgung und Ermordung der Juden dezentral abgespielt habe. Die Täter seien keine kleine Clique gewesen, wie viele noch immer dächten. Vielmehr hätten sich die Verbrechen vor vieler Augen abgespielt. Sich dessen zu erinnern, „schulden wir der Demokratie und der Jugend“, sagte Schuster weiter. „Und wir schulden es jenen, von denen nur ein Gepäckstück am Wegrand zurückblieb!“

Dr. Rotraud Ries, Leiterin des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken, das der Bezirk Unterfranken und die Stadt Würzburg seit 1987 gemeinsam betreiben, zählte einige Namen jener Deportierten auf, die 1943 mit jenem letzten Zug aus Würzburg in die Konzentrationslager gebracht wurden. Im Hintergrund standen rund zwanzig Männer und Frauen, die während des Festaktes große Fototafeln in Händen hielten mit den Portraits ermordeter Würzburger Juden.

Die Initiatorin der Gedenkstätte, Benita Stolz, berichtete über die Entstehungsgeschichte des Denkmals, zu dem der Würzburger Architekt und Künstler Matthias Braun durch ein historisches Foto vom Gepäck der Deportierten inspiriert worden war. „Ein langer Weg liegt hinter uns“, sagte sie sichtlich zufrieden. Ursprünglich hätte der "Denk-Ort Deportationen" am ehemaligen Güterbahnhof in der Aumühle entstehen sollen. Der jetzige Standort sei ideal, weil hier „nicht schamhaft weggeschaut“ werde, sondern weil hier Tag für Tag tausend Menschen vorbeikämen. Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde vom „Duo Klangwelt“

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Ansprechpartner:
Dr. Markus Mauritz
Pressesprecher
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