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Deutsches Schicksal in Miniatur (24. Oktober 2024)

Riccardo Altieris lesenswerte Geschichte über eine Würzburger Juristen-Familien

Zu den ersten Lesern des neuesten Buchs von Riccardo Altieri (rechts im Bild) gehörte Bezirkstagspräsident Stefan Funk. (Foto: Mauritz)

Würzburg. (mm) Prosa-Miniaturen haben den unbestrittenen Vorzug, auch auf kleinstem Raum große Geschichten zu entfalten. Mit einer solchen Erzähltechnik ist es Riccardo Altieri gelungen, auf 68 Seiten eine schnell zu lesende und leicht zu verstehende Darstellung zu schreiben, die jetzt unter dem Titel „Die Würzburger Familien Stern & Haas“ in der Reihe „Jüdische Miniaturen“ im Verlag Hentrich & Hentrich erschienen ist.

Trotz der gebotenen Kürze folgt das Büchlein einem wissenschaftlichen Aufbau mit Fragestellung, Beschreibung der Methodik und solider Quellen-Diskussion. Anhand von zumeist amtlichen Dokumenten beschreibt Altieri am Beispiel einer unterfränkischen Juristenfamilie das Schicksal deutscher Juden ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Nach der deutschen Reichsgründung 1871 war es Juden möglich geworden, sich nach einem Jurastudium als Rechtsanwalt niederzulassen. Für den im unterfränkischen Steinach an der Saale geborenen Otto Stern (1847-1924) eröffnete sich damit der Weg zu einem bis dahin undenkbaren gesellschaftlichen Aufstieg. Über seine Eltern ist wenig bekannt, aber offenbar hatten sie seine Begabung schon früh erkannt, so dass er nach Würzburg in die höhere Schule kam. Nach dem Abitur studierte er Jura, engagierte sich in einer Studentenverbindung, heiratete und wurde zunächst – wie man heute sagen würde – Rechtsreferendar.

Mit bewundernswerter Energie und offensichtlicher Begabung gelang es Otto Stern im Laufe seines Berufslebens eine der führenden Anwaltskanzleien Würzburgs aufzubauen. Er wurde in den Stadtrat gewählt, erhielt hohe Auszeichnungen und wurde zum Geheimen Justizrat ernannt. Sein Neffe Gerson Haas (1871-1949) und sein Sohn Bruno Stern (1880-1957) stiegen in die Kanzlei ein und führten diese fort bis zur Zwangsauflösung durch die Nazis 1938.

Bruno Stern hatte im Ersten Weltkrieg als Soldat in Frankreich und Rumänien gekämpft und war unter anderem mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. Wie sein Vater erhielt auch er den Ehrentitel Geheimer Justizrat. Das alles bewahrte ihn und seinen Cousin nicht vor Diskriminierung und Schikanen. Schon in den vermeintlich so „goldenen“ 1920er Jahren machte sich wieder überall in Deutschland Antisemitismus breit. Nach der so genannten Machtergreifung durch die Nazis 1933 verlor die Anwaltssozietät von Gerson Haas und Bruno Stern auf Druck der neuen Machthaber zahlreiche lukrative Mandate. Bis dahin hatte die Kanzlei unter anderem die Regierung von Unterfranken und die Universität Würzburg juristisch vertreten.

Am Ende stand das Exil. Lotte und Otto Ernst Haas, den Kindern von Gerson, gelang gerade noch rechtzeitig 1939 die Flucht nach Großbritannien. Schon zuvor war die Familie Stern mit Hilfe eines amerikanischen Studenten – und gegen die Bezahlung der „Reichsfluchtsteuer“ in astronomischer Höhe – die Emigration in die USA geglückt. Dort machten die Stern-Söhne Karriere: Franz Otto als Gynäkologe, Ernst Georg wurde Architektur-Professor, und Wilhelm Bernhard, der noch in Deutschland Jura studiert hatte, arbeitete im Exil als Rechtsbibliothekar. Eine adäquate Juristen-Laufbahn blieb ihm wegen des völlig unterschiedlichen Rechtssystems in den USA verwehrt. Aber Bruno Stern, deren Vater, starb in der Fremde als „gebrochener Mann“.

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Riccardo Altieri: Die Würzburger Familien Stern & Haas. „Eine Zierde des ganzen Anwaltsstandes“. Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin, Leipzig, 2024, 68 Seiten, Broschur, 19 Abbildungen, ISBN: 978-3-95565-683-6, 8,90 Euro

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