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Kino, Kicker, Kleinkunst – die bewegte Geschichte der Tanzsäle (16. März 2015)


Fragen der fränkischen Kultur diskutierten zum Ende der Veranstaltung (von links): Dr. Wolfgang Pledl (Bayerischer Landesverein für Heimatpflege), Prof. Dr. Günter Dippold (Bezirksheimatpfleger von Oberfranken), Prof. Dr. Klaus Reder (Bezirksheimatpfleger von Unterfranken), Dr. Birgit Speckle (stellvertretende Bezirksheimatpflegerin von Unterfranken), Thomas Kolb (Freistempel-Experte) und Horst Gehringer (Leiter des Stadtarchivs Bamberg). (Foto: Keck)


Rügheim / Würzburg. (keck) Bis in die 1970er Jahre gehörte der Tanzsaal zum Dorfgeschehen wie das Gasthaus, in dem der Tanzsaal untergebracht war, die Post und der Lebensmittelladen. Tanzsäle waren die Mehrzweckhallen, Festzelte und Diskotheken von damals. Mit steigender Mobilität der Dorfbewohner, dem Bau von Dreifachturnhallen und der Nutzung großer Festzelte war die große Zeit der Tanzsäle vorbei. Viele Säle sind heute umgebaut und wurden einer anderen Nutzung zugeführt.

Gemessen an der gesellschaftlichen Bedeutung der Tanzsäle als zentrale Orte des geselligen Lebens, ist deren Geschichte bislang lediglich marginal erforscht. Das Referat Kulturarbeit und Heimatpflege des Bezirk Unterfranken hat sich diesem Forschungsdesiderat angenommen, und für Unterfranken systematisch Quellen zum Thema ausgewertet. Den aktuellen Forschungsstand hat am Samstag (14. März) im Rahmen des Symposiums Heimatforschung Birgit Speckle, stellvertretende Bezirksheimatpflegerin, vorgestellt.

„Flächendeckende Dokumentationen für Tanzsäle in bestimmten Regionen existieren bisher nicht. Diese Aufgabe hat für Unterfranken die Bezirksheimatpflege übernommen. Wir können uns zwar, seit unser Projekt bekannt ist, kaum retten vor Namensnennungen von Gasthäusern, zu denen beliebte Tanzsäle gehörten. Doch die weitere Recherche gestaltet sich als Kärrnerarbeit.“ Als Informationsquellen nannte Birgit Speckle Ortschroniken, historische Ansichtskarten und Befragungen von Zeitzeugen.

Die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre sind nutzerfreundlich in einer Datenbank veröffentlicht, sortiert nach Orten, Landkreisen und Wirtshausnamen. Jeder Datensatz ist bebildert, informiert über die Themen Architektur und Einrichtung sowie Geschichte und soziales Leben des jeweiligen Tanzsaals. Bislang weißt die Datenbank 77 Einträge auf. Erreichbar ist das Nachschlagewerk unter http://www.bezirk-unterfranken.de/heimatpflege/datenbanken/index.htmlexterner Link.

Anschaulich präsentierte Birgit Speckle Auszüge aus der Datenbank: Da gibt es den ehemaligen Tanzsaal in Bischofsheim a. d. Rhön (Lkr. Rhön-Grabfeld), in dem sich seit 2000 die russisch-orthodoxe Kirche befindet. Der Tanzsaal des „Schwarzen Adler“ in Gnodstadt (Lkr. Würzburg), in dem früher Christbaumverlosungen stattgefunden haben und Fußballübertragungen gezeigt wurden, wird aktuell für Familienfeiern und Kleinkunstveranstaltungen genutzt. Bei „Reuther“ in Rügheim ist der Saal, in dem Kostüm-, Frühlings-, Herbst-, Karpfen-, Vereins- und Spargelbälle organisiert wurden, dagegen seit 2011 geschlossen.

„Grundsätzlich kann ich sagen: Von der Quellenlage her haben wir noch nicht einmal an der Spitze des Eisbergs gekratzt“, resümierte Birgit Speckle. Dennoch: Die Datenbank gewährt einen Einblick in das Tanzsaal-Geschehen der vergangenen siebzig Jahre in Unterfranken. Sie soll als Anregung verstanden werden, auf diesem Gebiet weiter zu forschen und den Tanzsälen bei der Erstellung von Ortschroniken oder Wirtshausgeschichten mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Und nicht zuletzt wurde durch das Tanzsaal-Projekt die Zusammenarbeit mit Stadt- und Kreisheimatpflegern, örtlichen Geschichtsvereinen sowie interessierten Privatpersonen gestärkt, was sich, so die Wissenschaftlerin, wiederum auf andere Projekte positiv ausgewirkt hat.
 

Im jährlichen Turnus laden die Bezirksheimatpfleger von Unter- und Oberfranken, das Colloquium Historicum Wirsbergense und der Bayerische Landesverein für Heimatpflege zum Symposium Heimatforschung in das Tagungs- und Kulturzentrum Schüttbau in Rügheim ein. Unter Leitung des unterfränkischen Bezirksheimatpflegers Prof. Klaus Reder präsentieren Fachleute ihre neuesten Forschungsergebnisse und tauschen sich unter Kollegen aus.
 

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