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„Was suchen Süchtige?“ (26. Oktober 2015)


Psychiatrie-Symposium des Bezirk Unterfranken zu „Aktuellen Aspekten der Suchttherapie“


Diskutierten über „aktuelle Aspekte der Suchttherapie“ (von links): Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, Prof. Hans-Peter Volz (Schloss Werneck), Geschäftsleiter Krankenhäuser und Heime Rainer Klingert und Prof. Dominikus Bönsch (Lohr). (Foto: Mauritz)
 

Würzburg. (mm) Süchtigen auf ihrem Weg aus der Sucht zu helfen, sei eine herausragende Aufgabe, betonte Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel am gestrigen Montag (26. Oktober) bei der Eröffnung des Psychiatrie-Symposiums des Bezirk Unterfranken, das sich in diesem Jahr mit „aktuellen Aspekten der Suchttherapie“ beschäftigte. Dotzel zitierte aus einer Münchner Zeitung, die in der Vorwoche vom 50. Drogenopfer dieses Jahres, einer 24-jährigen Frau, berichtet hatte. „Was hätte diese Frau noch alles erleben können, was hätte sie noch alles vor sich gehabt, wenn sie von ihrer Sucht losgekommen wäre?“, gab Dotzel zu bedenken.

„Was suchen Süchtige?“ Unter diese Leitlinie stellte Prof. Ernst Engelke als Moderator des Symposiums die Veranstaltung des Bezirks. Das Thema gehe jeden an, so Engelke. Zum Beleg schob er einige Zahlen hinterher: 14,7 Millionen Deutsche seien Raucher, 1,8 Millionen alkoholabhängig und zehn Millionen Menschen in der Bundesrepublik seien von Alkoholismus gefährdet. Oberarzt Martin Hauschild knüpfte an diese Zahlen an: jährlich gebe es in Deutschland 42.000 alkoholbedingte Todesfälle. Gemessen an den 3.277 Verkehrstoten des vergangenen Jahres eine gewaltige Zahl! 31,8 Prozent der Gewalttaten erfolgten unter Alkoholeinfluss, so der Arzt weiter. Im Bezirkskrankenhaus Lohr am Main verfüge man daher über zwei Stationen mit jeweils 24 Betten – eine für Drogensüchtige und eine für Alkoholiker. Pro Jahr nehme man rund 1.500 Sucht-Patienten auf. Dies sei rund ein Drittel der etwa 4.500 BKH-Patienten.

Anders als in Lohr setzt man im Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck auf ein integriertes Behandlungskonzept, das heißt, hier werden Alkoholiker und Drogensüchtige nicht getrennt, wie der Ärztliche Direktor der Klinik, Prof. Dr. Hans-Peter Volz, berichtete. „Unser Konzept funktioniert gut“, sagte Volz. Die Wartezeiten für Patienten seien kurz, die Nachfrage nach Betten hoch und die Beschwerden selten, so Volz. Mit 800 bis 900 Patienten machten Suchtkranke in seiner Klinik rund ein Fünftel der jährlichen Neuaufnahmen aus.

Dipl.-Psychologe Stefan Koschmieder vom Lohrer Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin stellte zunächst einen „Mythos der 68er-Generation“ klar: „Sucht kommt vom mittelhochdeutschen Wort siechen“, sagte er, es bedeute also krank, und nicht suchen! Ungeachtet dieser sprachlichen Finessen verfolge man auch in Lohr bei der Suchttherapie einen „lösungsorientierten Ansatz“. Darunter verstand der Psychologe, „die Patienten mit ihrer Verantwortung zu konfrontieren“. Aufgrund dieses liberalen Konzepts komme es im BKH Lohr verhältnismäßig selten zu Rückfällen, wenngleich auch Koschmieder kein Hehl daraus machte, dass Suchttherapien „ihre Zeit brauchen“.

Stephanie Stirnweis gab einen Überblick über die ambulante Therapie Drogenabhängiger im Raum Schweinfurt. Im Gegensatz zu einer stationären Therapie setze die ambulante Variante ein stabiles Umfeld voraus. Nach ihrer Beobachtung werde die Alterspanne der Süchtigen größer, wegen der steigenden Zahl von Patienten würden die Wartezeiten länger, die Klinikaufenthalte der Betroffenen kürzer und die Zahl der so genannten „Drehtür-Patienten“ höher. Und noch etwas ist ihr aufgefallen: unter den Suchtkranken finden sich immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund.

Oberärztin Dr. Susanne Pera berichtete abschließend über ihre Erfahrungen mit der Opiat-Substitution an der Psychiatrischen Instituts-Ambulanz (PIA) in Schweinfurt. Diese Einrichtung sei 2011 mit einem Arzt und einer Halbtagskraft eröffnet worden. 2012 sei die PIA in größere Räume im so genannten Iduna-Hochhaus gezogen, und 2014 habe man noch ein weiteres Stockwerk dazu genommen. Heute bestehe das PIA-Team aus 24 Köpfen, betonte Dr. Pera.

 

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