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Dotzel: Es normal ist, verschieden zu sein (16. November 2015)


Inklusions-Symposium des Bezirk Unterfranken – „Zukunftsthema unserer Gesellschaft“


Auch beim Inklusions-Symposium des Bezirk Unterfranken zählte Thomas Lurz zu den Stars. Das Foto zeigt ihn zusammen mit Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel und Dr. Gebhard Angele (links), der die Bezirks-Veranstaltung moderierte. (Foto: Mauritz)
 

Würzburg. (mm) „Thomas, zum ersten Mal in meinem Leben hat mich jemand um ein Autogramm gebeten!“ Thomas Lurz, Schwimm-Star aus Würzburg und mehrfacher Olympia-Teilnehmer, klingt die Freude jenes Rollstuhl-Basketballers noch im Ohr, dessen Team haushoch gegen eine andere Mannschaft gewonnen hatte und den eine der Zuseherinnen daher nach einer Unterschrift fragte. Thomas Lurz ist eben nicht nur Ausnahme-Athlet, sondern auch Gründer der Organisation „No Limits“. Im Rahmen einer Fachtagung des Bezirk Unterfranken am vergangenen Montag (16. November) stellte er sein Inklusions-Projekt vor.

„Ich war immer gesund und fit. Das wollte ich irgendwie zurückgeben“, erzählte Lurz, wie er zu seiner Idee kam, Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Sport machen zu lassen. Schon zweimal fand im Sportzentrum der Uni Würzburg ein entsprechendes Sportfest statt, bei dem es keine Grenzen  – „No Limits“ – zwischen Behinderten und Nichtbehinderten gab. „Wenn Menschen mit und ohne Handicap gemeinsame Sache machen, nennt man das Inklusion“, so lautet Lurz‘ einfache Definition eines Fachbegriffs, der drauf und dran ist, Karriere zu machen. Für Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, der das Symposium im Großen Sitzungssaal eröffnete, ist „Inklusion das große Zukunftsthema unserer Gesellschaft“.

Der Bezirk Unterfranken habe daher die Verwirklichung dieser „großartigen Idee“ schon vor geraumer Zeit zu einem seiner herausragenden Ziele gemacht. So habe der Bezirk bereits 2007 ein Modellprojekt zur „Eingliederung behinderter Menschen aus den Werkstätten in den allgemeinen Arbeitsmarkt“ ins Leben gerufen. Zudem unterstütze der Bezirk die vielfältigen niederschwelligen Angebote in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Bildung sowie Freizeitgestaltung. Dotzel erwähnte in diesem Zusammenhang auch den „Unterfränkischen Inklusionspreis“, mit dem seit diesem Jahr herausragende Inklusions-Projekte gewürdigt werden.

Inklusion bedeute, jedem Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, sich vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen – und zwar von Anfang an und unabhängig von individuellen Fähigkeiten, von ethnischer oder sozialer Herkunft und unabhängig von Geschlecht oder Alter, so der Bezirkstagspräsident. „Was wir wollen, ist eine Gesellschaft, in der es normal ist, verschieden zu sein“, fasste Dotzel diese Idee zusammen.

Inklusion sei eine „gesellschaftliche Utopie, die zur politischen Agenda geworden ist“, erklärte Prof. Dr. Dieter Kulke von der FH Würzburg. Das sei die große Chance der Inklusion, die nach seiner Auffassung eine „Normalisierung“ darstelle, weil damit bestehende „Sonderwelten“ abgeschafft würden. Mit „Sonderwelten“ meinte der Wissenschaftler Einrichtungen, in denen Kinder mit Förderbedarf, Schwerbehinderte oder wesentlich behinderte Menschen abgeschieden von der „normalen“ Welt entsprechend beschützt und unterstützt werden.

Dennoch wollte Kulke keine einfachen Lösungen versprechen. „Auf allen Ebenen“ müsse an dem Projekt gearbeitet werden, sagte er. Die Leistungserbringer müssten die Inklusion finanziell und organisatorisch unterstützen, die professionellen Sozialarbeiter sollten eine „inklusive Haltung entwickeln“, die Gesellschaft müsse sich dem Thema öffnen und Mehrausgaben akzeptieren, und die beeinträchtigten Menschen müssten sich „empowern“ lassen. Damit meinte Kulke, die Betroffenen müssten die Inklusion auch wollen. Keinen Zweifel ließ Kulke hingegen, dass eine inklusive Gesellschaft zugleich eine menschlichere Gesellschaft sei.

Dass man auf dem Weg in diese inklusive Gesellschaft ein gutes Stück vorangekommen ist, zeigten die unterfränkischen Best-Practice-Beispiele, die neben der „No Limits“-Organisation vorgestellt wurden. Etwa der neue Fachbereich der Mainfränkischen Werkstätten, die unter der Überschrift „INklusiv! Gemeinsam arbeiten“ erwachsene Menschen mit Behinderung auf ihrem Weg in den ersten Arbeitsmarkt begleiten und unterstützen will. Für die Fachbereichsleiterin Madelaine Leube bedeutet dies, dass Menschen mit Handicap „dort arbeiten, wo andere auch arbeiten“, also etwa in einem Kindergarten, einem Steuerberater-Büro oder als Hilfskraft eines Hausmeisters, wie Leube anhand praktischer Beispiele aufzeigte.

Das vom Bezirk Unterfranken finanzierte Projekt „betreutes Wohnen in Familien“ stelle zwar nur ein Nischenangebot dar, sei aber ganz im Sinne des Inklusionsgedankens eine qualitativ hochwertige Alternative zum Leben in stationären Einrichtungen, erläuterte die Sozialarbeiterin Diana Pohli von der psychiatrischen Klinik Schloss Werneck. Derzeit lebten 29 so genannte „Gäste“ in 25 Familien. Einen dieser Gäste und seine Gastgeberin hatten Diana Pohli und der leitende Sozialpädagoge Paul Strobel, ebenfalls von Schloss Werneck, mitgebracht. „Es ist schön! Mir gefällt es da!“, lautete dessen eindeutiges Urteil über seine Logis.

Petra Wörler-Volpert und Ina Meyer-Groll von der Grundschule Würzburg-Heuchelhof stellten ihre Bildungseinrichtung vor, die bereits 2003 erste Kooperationsklassen eingeführt hat. Heute befinden sich in allen Klassen Kinder mit Förderbedarf. Die Entwicklung zu einer inklusiven Schule benötige viele kleine Schritte und kreative Gedanken, machten die beiden Pädagoginnen deutlich. Aber inzwischen sei Inklusion für sie eine „Sache des Herzens“.

 

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