Federstrich mit großer Wirkung (7. Oktober 2016)
Philippe Gustin sprach über die Auswirkungen der französischen Territorial-Reform
Engagiert für die deutsch-französische Freundschaft (von links) Dr. Peter Motsch, Vorsitzender des Partnerschaftskomitees, Philippe Gustin aus Eure und die Leiterin des Partnerschaftsreferats des Bezirk Unterfranken, Alice Heller. (Foto: Mauritz)
Würzburg. (mm) An der Einsicht, dass „alles fließt“, dass sich also alles ständig in Veränderung befindet, hat sich in den zurückliegenden 2.500 Jahren nichts Grundlegendes geändert. In Frankreich hat man jetzt auf die neuen Entwicklungen durch den globalen Wettbewerb mit einer Verschlankung der Verwaltung und einer Straffung der territorialen Strukturen reagiert. So gibt es seit diesem Jahr statt der bisher 22 nur mehr 13 Regionen. Eine derart einschneidende Gebietsreform kann nicht ohne Auswirkungen bleiben – selbst die deutsch-französischen Beziehungen sind davon betroffen. Darüber sprach vor kurzem Philippe Gustin, ehemaliger französischer Botschafter in Rumänien und heute hoher Beamter im Departement Eure, der auf Einladung des Partnerschaftsreferats des Bezirk Unterfranken zu einem „Tag der Partnergemeinden“ nach Würzburg gekommen war.
Mit der Territorialreform hatte einst der französische Staatspräsident François Hollande die Hoffnung verbunden, die öffentlichen Ausgaben zu reduzieren und Frankreich wirtschaftlich zu stärken. Philippe Gustin ließ aber deutliche Zweifel anklingen, ob sich diese Erwartungen erfüllen werden. Dabei sah auch er „territorialen“ Reformbedarf: In Frankreich gebe es 36.680 Ortschaften, so genannte „communes“. Im Vergleich dazu seien es in Deutschland lediglich rund 11.500. Die kleinste französische Ortschaft, Rochefouart im Département Drôme, habe nur einen einzigen Einwohner, und 54 Prozent der Kommunen hätten weniger als 500 Einwohner. Jede „commune“ werde von einem Stadtrat verwaltet, zu dessen Aufgaben die Wahl eines Bürgermeisters gehöre. Zu den Pflichten eines Bürgermeisters zählten die Erhaltung der Straßen, die Wahrung der öffentlichen Ordnung und die Aufgaben eines Standesbeamten sowie die Organisation von Wahlen. In der Zeit, in der jene Strukturen geschaffen wurden, nämlich in den Jahren nach der Französischen Revolution, waren sie wohl recht sinnvoll, wie Gustin durchblicken ließ. In die Gegenwart passen sie wohl weniger!
Bereits in der Vergangenheit wurden daher Kommunalverbände geschaffen: Metropolen wie etwa Nice Côte d’Azur oder Lyon, urbane Großräume, städtische Gemeinden oder Zusammenschlüsse kleiner Gemeinden. Einst spiegelte jede französische Gemeinde die große Republik im Kleinen wider. Diese jakobinischen Traditionen galten lange Zeit als Tabu. Nun wurden einzelne Kommunen gestärkt und die großen Städte erhalten mehr Gewicht.
Besonders interessierten sich die Zuhörer im großen Sitzungssaal des Bezirksgebäudes für die Zukunft der insgesamt 101 Départements – schließlich pflegt der Bezirk Unterfranken seit dreißig Jahren eine enge Partnerschaft mit dem Département Calvados. Die Départements blieben erhalten, wusste Gustin – trotz der Stärkung der Kommunalverbände und der Regionen! Aber sie verlören einige ihrer Kompetenzen. Künftig seien sie vor allem für den Sozialbereich zuständig, unter anderem für Behinderte, Senioren, die Sozialhilfe oder die Kultur – und insofern den bayerischen Bezirken gar nicht unähnlich!
Den größten Einschnitt bringt die Territorialreform wohl durch die Zusammenlegung der bisher 22 Regionen zu jetzt nur mehr 13 mit sich. Sie werden von einem Regionalrat verwaltet, und der Präfekt des Départements, in dem sich die Hauptstadt der Region befindet, vertritt den Staat in der gesamten Region. Nach wie vor sind die einzelnen Regionen überaus heterogen. So leben in der bevölkerungsreichsten Region, der Île de France, rund zwölf Millionen Menschen, während die Region Centre-Val de Loire lediglich 2,5 Millionen Einwohner hat. Vor allem aber ließ Philippe Gustin erhebliche Zweifel durchblicken, ob sich die Menschen in absehbarer Zeit mit den neuen Konglomeraten identifizieren würden.
Eröffnet hatte die Veranstaltung Dr. Peter Motsch als Vorsitzender des Partnerschaftskomitees. Er betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung von Kommunalpartnerschaften für die Völkerverständigung. „Freundschaften zwischen Völkern entstehen nicht bei den Gipfeltreffen einiger Spitzenpolitiker. Freundschaften zwischen Völkern entstehen an der Basis, sie entstehen dort, wo die Menschen zusammenkommen“, betonte er. Ein Beispiel dafür seien die zahlreichen Partnerschaften zwischen unterfränkischen und französischen Kommunen.
In diesem Zusammenhang verwies er auf die Partnerschaft des Bezirks mit dem Département Calvados, die vor genau dreißig Jahren mit der Erst-Unterzeichnung der Partnerschafts-Urkunde in Schloss Bénouville gelegt worden sei. Motsch erinnerte an die Jubiläums-Feiern im Calvados im zurückliegenden Sommer, an der auch eine Delegation aus Unterfranken teilgenommen habe. „Aber wahre Freundschaften pflegt man nicht nur alle paar Jubel-Jahre“, sagte er. Daher wolle der Bezirk mit den so genannten „Tagen der Partnergemeinden“ die Betreuung, den Informationsfluss und die Vernetzung von Partner-Kommunen fördern. Motsch: „Denn Partnerschaften muss man pflegen – Freundschaften erst recht!“