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„Bungee-Jumping für die Sinne“ (8. August 2019)

Im Weingut von Manfred Rothe entsteht Wein wie schon vor 6.000 Jahren im Kaukasus

Hatten einen Wein mit Kult-Status im Glas (von links): Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, Manfred Rothe vom Weingut Rothe, Weinprinzessin Vanessa Wischer, Bezirksrätin Gerlinde Martin und Bürgermeister Guido Braun. (Foto: Mauritz)

Nordheim. (mm) Weine in Stahltanks auszubauen oder in Fässern aus Eichenholz, das kennt man. Aber in Amphoren aus Ton? Das klingt für unterfränkische Verhältnisse ziemlich ungewöhnlich. In Georgien hat man allerdings bereits vor 6.000 Jahren Wein in so genannten Kvevris erzeugt – das sind im Boden vergrabene Ton-Amphoren. 2013 hat die UNESCO diese traditionelle Methode sogar zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Außerhalb der Kaukasus-Republik gibt es weltweit vielleicht zwanzig Weingüter, die mit Original-Kvevris arbeiten, ungefähr fünf davon in Deutschland. Eines von ihnen ist das Weingut Rothe in Nordheim.

Für Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel Grund genug, sich gemeinsam mit der Weinfachberatung den Keller des legendären Nordheimer Weinbaubetriebs einmal ein wenig genauer anzusehen – zumal Dotzel Georgien an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien selbst schon bereist hat. Als „aufregend ungewohnt“ bezeichnet Manfred Rothe seine Kvevri-Weine, und Dotzel fühlt sich mit dieser Einschätzung an seine eigenen Erfahrungen erinnert.

Über den sprichwörtlichen Tellerrand hat Manfred Rothe immer schon geblickt. „Für unsere Produkte brauchen wir keine Chemie!“ So lautete das Credo des aktiven Naturschützers bereits in Zeiten, als die Weinreben in den 1970er Jahren noch vom Hubschrauber aus mit Herbiziden und Pestiziden gespritzt wurden. Auf seinen Reisen nach Georgien erlebte er dann, „wie Wein auch schmecken kann“. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden in der Kaukasus-Republik Weine fast ausschließlich in den legendären Kvevris vergoren und ausgebaut.

Freilich bedeutet das nicht, dass das ungewöhnliche Aroma jedem Mitteleuropäer schmeckt. Die für einen Weißwein typische Fruchtnote ist bei Kvevri-Weinen kaum vorhanden. „Dafür überzeugen sie mit einer gerbstoffgeprägten Textur“, betont Manfred Rothe. Für den leidenschaftlichen Winzer ist ein Schluck Kvevri-Wein wie „Bungee-Jumping für die Sinne!“

Im Jahr 1999 – „als die Kinder aus dem Haus waren“ – übernahmen Manfred und Christine Rothe den ererbten Familienbetrieb im Haupterwerb. Bis dahin hatte Manfred Rothe noch als Küchenchef gearbeitet. Heute bewirtschaftet das Ehepaar zehn Hektar Reben. Dreißig Prozent davon sind Rotweine. In Georgien gibt es 525 verschiedene Rebsorten mit so schwierig auszusprechenden Namen wie Rkatsiteli, Mtsvane Kakhuri oder Kisi. In dieser Hinsicht macht es sich Manfred Rothe einfacher, er schätzt insbesondere den Silvaner: „Der Silvaner hat uns noch nie verlassen!“, sagte er „Was will mit Silvaner auch passier!“

Schon 2011 war Manfred Rothe als Sprecher der „Insel-Wein-Macher“ einer der treibenden Köpfe, als es darum ging, Weißwein auf der Maische zu vergären. Wie sonst bei Rotweinen ist es dadurch auch bei Silvaner und Co. möglich, Weine zu erzeugen, die sich fünf oder zehn Jahre lang lagern lassen. Noch ausgeprägter ist dieser Vorzug bei Kvevri-Weinen, die zehn- bis fünfzehnmal mehr Gerbstoffe enthalten als normale Weißweine. Mit diesem Gerbstoffgerüst hätten Weine ein Alterungspotenzial von Jahrzehnten und kämen mit minimalster Schwefelbeigabe aus, weiß Rothe. „Man muss da ran, man muss sich was trau’n!“

Im Oktober 2013 vergrub Manfred Rothe seine beiden frisch importierten Kvevris in einer Ecke seines Weinkellers. Oben auf deckte er alles mit roten Ziegeln ab, die wie ein Strahlenkranz die Kvevri-Öffnung einfassen. Das Vergraben ist wichtig, damit die dünnen Wände der Amphoren beim Befüllen nicht auseinanderbrechen. Zu etwa drei Vierteln werden sie mit Maische und Most gefüllt – oft mit Stielen und Kämmen. Die Vergärung beginnt dann spontan. Drei bis viermal täglich muss der Tresterhut untergestoßen werden. Manfred Rothe benutzt dazu einen kräftigen Stock, den er sich selbst geschnitzt hat. Nach der Gärung wird die Luke fest verschlossen und mit feuchtem Ton versiegelt. Nun hat der Winzer erst mal Ruhe. Neun Monate liegen die Weine auf der Maische. „Der Wein reift sich selbst überlassen.“

Das Abfüllen des fertigen Weins geschieht dann an einem einzigen Tag. Ungefähr 800 Liter Wein zieht Manfred Rothe aus jedem der beiden 1.200-Liter-Amphoren. Natürlich sind diese Weine nicht billig. „Das Handwerk braucht seinen Preis!“, sagt Manfred Rothe selbstbewusst. 45 Euro kostet eine Flasche, und seine Kunden kommen aus der ganzen Welt.

Ganz neu in seinem Sortiment ist der Jahrgang 2016. Der Vorzug seiner Weine sei nicht zuletzt, dass man eine Flasche nicht leertrinken müsse, weil sie auch noch nach Tagen ihre Qualität behalte, sagt Rothe. Man muss sie nicht leertrinken. Stimmt! Aber die wenigsten Wein-Liebhaber werden einer geöffneten Flasche Rothe-Wein widerstehen können.

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