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Fingerspitzengefühl im Umgang mit baulichem Erbe (15. Mai 2020)

Schloss Werneck: Anbau des Albert-Schweitzer-Hauses fertiggestellt – Sanierung des Altbaus beginnt

Ein verglaster, zweigeschossiger Baukörper, in dem sich der Hauptzugang zum Albert-Schweitzer-Baus befindet, verbindet den Neubau mit dem Altbau (ganz links) und schafft zugleich eine optische Trennung zwischen den beiden Gebäudetrakten. (Foto: Vollmuth)

Werneck. (mm) Selten kommen sich Tradition und Moderne so nah wie im Fall der barocken Schlossanlage Werneck (Landkreis Schweinfurt). Der zwischen 1733 und 1745 von dem legendären Baumeister Balthasar Neumann errichtete Prachtbau zählt zu den architektonischen Glanzstücken Unterfrankens. Und doch befinden sich im Schloss beziehungsweise auf dem weitläufigen Gelände rund um den denkmalgeschützten Bau zwei hochmoderne Krankenhäuser, eine renommierte Krankenpflegeschule sowie mehrere wichtige Heime.

Architektur ist eben mehr als nur eine schöne Fassade. Architektur steht bei aller Ästhetik immer auch im Dienst der Menschen. Das Albert-Schweitzer-Haus, eines jener Heime auf dem Wernecker Schlossgelände, ist ein Zuhause für Menschen, die aufgrund chronischer psychischer Erkrankungen auf Hilfe angewiesen sind und in der Regel bereits viele Jahre in psychiatrischen Einrichtungen gelebt haben. Das macht dieses vollstationäre Pflegeheim, dessen Träger der Bezirk Unterfranken ist, zu einem Symbol für Humanität.

Im Garten des Schlossareals wurde in den vergangenen zweieinhalb Jahren ein zweigeschossiger Anbau an das Albert-Schweitzer-Haus errichtet. Anfang Mai sind in diesen neuen Gebäudetrakt bereits die ersten Bewohner eingezogen. In einem zweiten Schritt soll nun der Altbau saniert und erneuert werden, damit er den aktuellen Vorgaben des bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes entspricht. Die beiden Gebäudeteile verfügen über eine Nutzfläche von 2.300 beziehungsweise von 2.600 Quadratmetern.

Von Anfang an legten die zuständigen Planer großes Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem baulichen Erbe an den Tag. Das nun fertiggestellte Gebäude behauptet sich als eigenständige, zeitgemäße Architektur auf dem geschichtsträchtigen Gelände und drückt mit seinem kompakten Baukörper gleichzeitig den Respekt vor dem historischen Ensemble aus. Nicht zuletzt deshalb ragt der Trauf des Altbaus ein Geschoss über den Flachdachrand des Neubaus hinaus. So tritt die moderne Architektur nicht mit dem vorhandenen historischen Ensemble in Konkurrenz.

Ein verglaster, zweigeschossiger Baukörper, in dem sich der Hauptzugang zum gesamten Gebäudekomplex befindet, verbindet Neubau und Altbau und schafft zugleich eine optische Trennung. Die Farbgebung und der Außenputz orientieren sich am historischen Trakt, dessen stehende Fensterformate sich im Neubau wiederfinden. Die umlaufenden Bänder des Neubaus, die die Fenster verbinden, ähneln den Gesimsen des historischen Gebäudes.

Auch die Innenräume strahlen diese Harmonie aus. Helle, warme Farbtöne sind vorherrschend. Nur an einigen zentralen Bereichen setzen kräftige Farben einen Akzent. Überwiegend natürliche Materialien bestimmen das Bild. Durch zwei verglaste Innenhöfe flutet viel natürliches Tageslicht in das Gebäude, in dessen Kernbereich die Gemeinschaftsräume, der Personalbereich und die Nebenräume untergebracht sind. Die Wohnräume befinden sich alle an den Außenfassaden des Gebäudes. Über den Gemeinschaftsraum in der untersten Ebene lässt sich auch der nördlich gelegene Innenhof erreichen. Vom Stützpunkt aus sind sowohl der Innenhof als auch die Gemeinschaftsräume einzusehen. Dieser Zuschnitt ermöglicht optimale Prozessabläufe und bietet hohen Komfort für Bewohner und Mitarbeiter.

Rund 17,5 Millionen Euro dürften nach jetzigen Schätzungen die Gesamtkosten betragen, die der Bezirk Unterfranken in den Neubau und in die Sanierung des Albert-Schweitzer-Hauses investiert. Ursprünglich verfügte das Heim über 64 Plätze. Wenn die Sanierung des Altbaus abgeschlossen sein wird, soll das Haus Erthal, ein weiteres Wernecker Heim, mit seinen 32 Plätzen in das Albert-Schweitzer-Haus integriert werden, sodass dann 93 Menschen in den modernen Räumen ihr Zuhause haben werden – 49 von ihnen in den zwei Stationen des jetzt fertiggestellten Neubaus. Sie alle werden nach Abschluss der Sanierung die großzügigen Freizeit- und Gemeinschaftsräume nutzen können. Haus Erthal ist ein beschützt geführtes gerontopsychiatrisches Pflegeheim, das demnächst aufgelöst wird.

Weil in unmittelbarer Nähe des Neubaus die Wern, ein Nebenfluss des Mains, vorbeifließt und sich das Gebäude deshalb im unmittelbaren hochwassergefährdeten Bereich befindet, wurde der Bau nicht unterkellert und musste auf Bohrpfählen gegründet werden.  An den Türen des Neubaus wurden zudem provisorische Flutsperren angebracht. Die Lüftungstechnik für den Neubau wurde auf dessen Dach angeordnet und mit einem Sichtschutzzaun weitestgehend verdeckt, um die Silhouette des Gebäudes nicht zu stören.

Natürlich wurden bei der Errichtung und Sanierung des Albert-Schweitzer-Hauses alle Vorschriften für barrierefreie Wohnungen berücksichtigt, damit die Räume für Menschen mit Behinderung auch ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Jeder vierte Heimplatz entspricht darüber hinaus den zusätzlichen Anforderungen für Rollstuhlfahrer. Diese Heimplätze befinden sich überwiegend im Neubau. 75 Prozent der Wohnräume sind Einzelzimmer. Auch die Einzelzimmer befinden sich zumeist im Neubau, weil die Planer mit Blick auf den Denkmalschutz bestrebt waren, in die Ästhetik des Altbaus so wenig wie möglich einzugreifen – und die Statik keine beliebige Aufteilung der Räume erlaubt.

Seit bald 300 Jahren lässt Schloss Werneck die Besucher und Betrachter staunen – wegen seiner architektonischen Schönheit, wegen seiner verschwenderischen Pracht, aber auch wegen seiner stets modernen Verwendung. Viele bauliche Metamorphosen hat das Ensemble in der Vergangenheit bereits erlebt. Die Schloss-Anlage hat sich immer wieder gewandelt, sich den Zeitläuften angepasst, ihr Erscheinungsbild verändert. Der Anbau an das Albert-Schweitzer-Haus und dessen bevorstehende Sanierung sind ein weiterer Beleg dafür, dass Architektur bei aller Ästhetik immer auch im Dienst der Menschen steht.

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Dr. Markus Mauritz
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